Schwerpunktthema: Digitalisierung

  Leitartikel von Dr. Anselm Görres

Bei den Debatten um Industrie 4.0 steht meist die Optimierung inner- und zwischenbetrieblicher Lieferketten im Fokus. Maschinen „reden“ miteinander und mitunter sogar mit Waren, die sie erstellen, seien dies Vor-, Zwischen- oder Endprodukte. Nicht nur der Anteil menschlicher Fertigungseingriffe geht zurück, auch dispositive und koordinierende Eingriffe werden entbehrlich. Immer mehr Aufgaben löst die Fabrik ohne Menschen, sogar mit fremden Fabriken oder Logistikpartnern tauscht sie sich aus.

Bei technischen Themen kommen unsere Auftraggeber meist aus den technischen Bereichen. Wir reden mit CTOs, Werkleitern, Einkauf- oder Logistikchefs, meist Ingenieuren oder Wirtschaftsingenieuren.

Zum digitalen Dauerumbau gehören auch kaufmännisch-administrative Themen, wo wir eher mit Kaufleuten zu tun haben. Hier geht es um bessere Management-Informationen, um klassische Systeme der Unternehmenssteuerung (ERP, CRM usw.) oder einzelne Operativsysteme jenseits von Fertigung und Logistik.

1    Schnittstellen entlang der Lieferkette

Innerbetriebliche Ablaufoptimierungen sind klassische Anlässe zum Einsatz von Interim Professionals. Stets sind sie arbeitsaufwändig und komplex; fremdes Know-How schadet nicht. Fast immer haben wir zahlreiche solcher Einsätze im Projektportfolio, überwiegend bei Mittelständlern. Kleinere Themen betreffen die Optimierung einer Fertigungsinsel, einzelner Anlagen oder einer Produktionsstraße. Bei größeren Einsätzen geht es um den Umbau ganzer Fabriken oder die Einführung und Fortentwicklung von Steuerungssystemen. Auch die Digitalisierung der Produkte kann Thema sein.

Neben der Fertigung geht es häufig um die Verbesserung von Logistikketten, ob innerbetrieblich oder zwischen Betrieben und Herstellern. Nicht selten sind wir dabei auch für Logistikanbieter tätig, etwa Transportunternehmen oder Betreiber von Lägern.

Von den über 3.000 ZMM-Professionals sind etwa 350 ausgewiesene Fachleute für alle Aufgaben rund um die Supply Chain, darunter etwa 30 Prozent mit besonderer Digitalisierungskompetenz. Digitale technische Probleme lösten wir etwa bei Kunden wie Berner SE, BCM Kosmetik, Faurecia, German Water and Energy Group, K.A. Schmersal oder Weidmüller Interface.  

2    Digitalisierung kaufmännisch-administrativer Aufgaben


Zu den Merkmalen moderner Digitalisierung gehört sicherlich die Überwindung bisheriger Schranken zwischen Fachfunktionen, ganz Ressorts oder separaten Firmen. Dies wirkt sich auf alle noch isoliert arbeitenden Informations- oder Berichtssysteme aus. Immer wieder treffen wir auf Kunden, bei denen Daten von einem zum anderen Bereich nahezu händisch oder semimaschinell ausgetauscht werden, mit Excel als Trägermedium, was stets Fehlerquellen und Mehraufwand bedeutet.

Von unseren rund 1.000 Professionals mit vorwiegend kaufmännisch-administrativem Profil verfügen etwa 25 Prozent über ein ausgeprägtes Digitalisierungs-Know-How. Hinzu kommen etwa 50 IT-Experten und Change Manager, die selbst aus der Datenwelt kommen. Die meisten davon bringen Kenntnisse aus operativ-technischer wie aus administrativer Digitalisierung mit.

Bei kaufmännisch-administrativen Aufgaben konnten wir etwa Aspen Europe, dem Gewürzhersteller Raps,  Saeco oder der Deutschen Postbank beistehen.

3    Blindstellen im Windschatten der Lieferkette


Bei aller Aufmerksamkeit für das elegante Verknüpfen operativer Schnittstellen verwundert es, wie wenig Beachtung Unternehmen anderen Schnittstellen schenken, vielen davon mit der Außenwelt. Hier gibt es oft peinliche Lücken und Schwächen, mal steht dahinter fehlende Digitalisierung, oft genug aber auch lieblose und fehlerhafte DV-Systeme. Beispiele gefällig?

a.   Datensalat als Überweisungstext


Die häufigste Kommunikation zwischen Bürger und Dienstleistern sind nicht mehr Gespräche, sondern Abbuchungstexte. Kennen auch Sie Prosa wie diese: D-Nr M11779, /INV/ 037099079, TELEFONIE Juni 2017, Zahl B 13022xxxxx EREF? Der Kontoinhaber erhält digitalen Müll mit Aufklärungswert Null. Die Autoren haben nur den internen Leser im Sinn.

b.   Darf ich noch mal Ihre Handynummer haben?


Man spricht mit einem Weltkonzern, aber das Chefbüro hat wohl keine Datenbank, oder nur eine rein lokale. Dem Chef ist das egal, die Assistentin wird ihn schon verbinden. Im Vergleich zur weitgehenden Durchdringung der Unternehmen mit Office-Programmen zum Schreiben, Rechnen und Zeichnen sind firmenweite Kontaktdatenbanken oft nur ansatzweise vorhanden. Auch bei großen Anwaltskanzleien wird man immer wieder nach Name, E-Mail oder Telefonnummer gefragt. Viele Behörden kennen Kundendatenbanken nur vom Hörensagen. So macht man anderen und sich selbst das Leben schwer.

c.   Nutzerverwirrende Internetdialoge


Man bestellt etwas, lädt etwas herunter, meldet sich irgendwo als Leser ab, und wie oft erlebt man das gleiche Phänomen: Der soeben bearbeitete Dialog bleibt unverändert stehen. Hat die Lufthansa-App mir die Bordlektüre nun schon heruntergeladen oder muss ich es nochmals tun? Ging mein Unsubscribe raus oder muss ich die Absage nochmals begründen? Ähnliche Beispiele weltabgewandter Programmierung findet man bei vielen Dialogen, ob ein Dialogfeld IBANs nur leerstellenfrei akzeptiert oder Telefonnummern nur als reine Ziffernfolge. Zu beheben wäre das in drei Programmierer-Minuten.

d.   Bessere Texte durch Vorlagensynchronisation


Ob bei Mails, Briefen, Präsentationen oder Verträgen: Alles was nach außen geht sollte zugleich der Corporate Identity entsprechen, korrekt geschrieben sein und bei allen häufig verwendeten Kommunikationselementen wie Angeboten oder Rechnungen auf den jeweils aktuellsten Vorlage-Ständen beruhen. MS-Office bietet hier gigantische Möglichkeiten, die in der Praxis aber in den meisten Fällen kaum ausgeschöpft werden. Warum zum Beispiel fügt man nicht die Namen sämtlicher wichtiger Geschäftspartner oder Adressen der Rechtsschreibprüfung von Office hinzu, in allen beteiligten Rechnern? Warum stehen gestern veränderte Word-Vorlagen nicht schon tags darauf allen Kollegen zur Verfügung? Warum nutzt man nicht – wie das in Fabriken längst gemacht wird – auch bei Büroprozessen die KVP-Methode, also kontinuierlicher Verbesserungsprozess aller Arbeitsschritte unter Mitwirkung erfahrener Mitarbeiter? Warum werden marketinggesteuerte Spezialbegriffe wie BLAU&GRAU AG mühsam per Copy & Paste eingefügt, statt schwupps mit „#bg“ aus der Autokorrektur zu fließen?

e.   Finaler Abbruch Kundenhandle Nr. 471033ü´32x#2?


Aha. Alles klar. Vielen Dank auch! Wir wissen, dass Codes komplex sind und viele Programmierer vor lauter Konzentration auf die Engines im Backend das Frontend ein wenig vernachlässigen. Wer braucht schönes Design? Wer braucht verständliche Fehlermeldungen, damit er wenigstens weiß, was schief lief?

Letztlich führen lieblose und kundenferne Programmierungen immer nur zu Ärger und vermeidbaren Kosten, ob in der hauseigenen IT oder bei den armen Call Centern, die allen Opferfrust ausbaden müssen. Den Menschen dort müsste man pro Stunde fünf Euro Schmerzensgeld drauflegen, bei den niedrigen Gehältern.

f.    Apropos Call Center


Es gibt sicherlich leichtere Aufgaben, als einem aufgebrauchten und nicht immer IT-affinen Kunden zu erklären, warum seine Software oder sein Internet-Zugang nicht funktionieren. Aber die Firmen machen es ihren eigenen Call Centern auch künstlich schwer. Bitte warten Sie einen Augenblick, ich habe zwar Ihre Kundenummer, aber für Ihre Rechnungen muss ich erst eine andere Datenbank öffnen…

Fazit: Es ist Zeit, eine neue Reise anzutreten, gern auch mit Beratern wie sie der internationale Consulting-Anbieter Prophet einsetzt, bei denen uns das Konzept der Customer Journey erstmals begegnete. Gerade bei mittelgroßen Problemen können auch kluge Interim Manager mit einem Kundenteam rasch bessere und schickere Schnittstellen erarbeiten, nicht zuletzt zwischen Firmen und ihrer Außenwelt.