Optimierung der Besucherreise

ZMM-Kollegen besuchen jede Woche viele Firmen und erleben dabei hochmoderne, hilfsbereite und ansatzweise auch digitalisierte Besucherprozesse. Aber manchmal sitzen wir auch in tristen Warteräumen, haben vorher den Weg nur mit Mühe gefunden und werden erst nach längerer Zeit abgeholt. Man merkt dann schnell: Das Thema Pforte hat hier etwa Prio 7. Verspätungen durch umständliche Zugangsprozeduren scheinen dem Unternehmen egal zu sein.

Hinzu kommt, dass Firmen natürlich Sicherheit brauchen und Pforten häufig von den gleichen Einheiten geleitet werden, denen auch Werkschutz und Werksfeuerwehr unterstehen. Sicherheitsdenken und Bürokratie können da eine doch allseits erwünschte Willkommenskultur leicht überlagern.

In einem aktuellen RentaConsultant®-Projekt hatte der Kunde das ehrgeizige Ziel gesetzt, den Besucherprozess durchgreifend digitaler und freundlicher zu gestalten. Schon nach wenigen Gesprächen gab es wichtige Erkenntnisse: Besucherreise und Gastgeberprozess sind im Zusammenhang zu sehen, egal wer den Besuch ausgelöst hat. Gastgeber sind im Zweifel die ergiebigeren Ansprechpartner, weil sie aus dem gleichen Haus kommen, am besten über Prozess-Schwächen Bescheid wissen und am Ende auch an der Lösung mitwirken sollen. Alle Lösungen sind im Prinzip einfach. Schwierig werden sie oft erst durch die Vielzahl involvierter Personen und Interessen. Besonders komplex sind Gemeinschaftsstandorte, etwa bei Gewerbezentren oder großen Technikparks, wo viele Firmen mitreden und überzeugt werden wollen.

Nachdem wir vielerlei Segmentierungsansätze zur Zielgruppen-Analyse durchgespielt hatten, schälte sich rasch die verblüffend einfache Lösung heraus: Seltenbesucher und Vielbesucher haben völlig unterschiedliche Probleme. Das gilt natürlich auch für die jeweils zugehörigen Gastgebergruppen.

Erst- und Seltenbesucher brauchen Info


Wer Kunden erstmals besucht, der fährt schon mal das falsche Werktor an, weil er nicht wusste, wie er das richtige in sein Navi eingeben sollte. Weit über die Autobranche hinaus fehlen in Einladungen und Terminbestätigungen Hinweise auf öffentliche Verkehrsmittel. Bei großen Werksgeländen kann es ewig dauern, bis einen endlich der Praktikant abholt, allein darf man ja nicht gehen. Wenn man eh lange Formulare ausfüllen und ein Sicherheitsfilmchen studieren muss, fällt die Ausweiskontrolle auch nicht mehr groß ins Gewicht.

Die eindeutige Lösung: Entwickeln eines ansprechend gestalteten Prozesses und insbesondere eines Einladungsmails, das alle besuchsrelevanten Infos enthält, zugleich fertige Kalendereinträge oder einen individualisierten Werksplan enthält (in dem das persönliche Zielgebäude schon markiert ist), und das am Empfang als Einladungsnachweis dient. Wie solche Informationen technisch übermittelt werden, kann man im Flug- oder Bahnverkehr studieren. Der Kunde hat hier meist die Wahl zwischen nach wie vor altmodisch gedruckten Bord- oder Fahrkarten und integrierten Lösungen in Form einer Handy-App. Erst Apps bieten dem Reisenden auch die Möglichkeit, jederzeit aktuelle Korrekturen passiv zu empfangen oder aktiv nachzufragen. Also etwa Verspätungen, Umleitungen, Gate-Änderungen, was auch immer. Im Backend integrierter Systeme müssen dafür komplexe Anbieterinformationen zusammenfließen. Vorbilder wie Bahn oder Lufthansa illustrieren zugleich, wie neuere Lösungen die früheren nur ergänzen, aber nicht völlig ablösen.

Bei der Entwicklung eines Besuchermanagements für Firmen sind keine großen informationstechnischen Revolutionen erforderlich. Vielmehr müssen viele kleine, längst vorhandene Informationen in geeigneter Form zusammengeführt und die zugehörigen IT-Systeme so verkoppelt werden, dass der Informationsaustausch reibungslos erfolgt. Wenn am Ende Besucher, Gastgeber und Pforte übereinstimmend informiert werden, sind beispielsweise Stoßzeiten an der Pforte viel leichter zu vermeiden. Allerdings sind datenrechtliche Probleme zu lösen, insbesondere wenn Besucher eines Industrieparks rechtlich getrennte Firmen besuchen. Firma A darf über Besucher der Firma B nichts erfahren.

Für den Oft-Besucher zählt Barrierefreiheit


Nach dem dritten oder vierten Besuch weiß man die besten Anfahrtswege, kennt die Sicherheitsregeln und findet den Weg zum Gastgeber-Gebäude auch bei Dämmerlicht. Doch von Mal zu Mal wird es lästiger, wenn man immer noch das gleiche Formular ausfüllen und seinen „Perso“ zeigen muss. Hier gibt es eine einfache, in Deutschland aber noch wenig verbreitete und kostspielige Lösung: Die Anschaffung maschineller Personenidentifikation. Zugleich winken hier die größten Einsparungen.

Nicht nur wegen der erforderlichen Investitionen, sondern auch wegen der notwendigen Beschaffung personenbezogener Daten dürfte ein solches Verfahren nur schrittweise eingeführt werden. Es wird immer eine gewisse Anzahl von Besuchern bleiben, für die sich der Aufwand nicht lohnt oder die Systeme aus anderen Gründen nicht in Frage kommen. Das Betreten eines Unternehmens oder gar eines ganzen Firmenparks über völlig unbemannte Pforten dürfte auf absehbare Zeit kaum Schule machen und wäre wohl gar nicht wünschenswert.

Herzlich willkommen bei…


Gegen eine vollständige Abschaffung von Pforten spricht auch der Aspekt Willkommenskultur. Viele Besucher wollen Pforten nicht nur schnell durchqueren. Sie wollen sich nach einer Reise erfrischen, mit einem getrennt reisenden Kollegen treffen, vor dem Besuch noch kurz zur Ruhe kommen oder mittels Broschüren, Vitrinen oder Filmen ihr Vorwissen über die Firma auffrischen. Ein Pforten-Stopp sollte kein Zwangspunkt sein, er könnte auch Teil einer freundlichen Begrüßung sein. Über Elemente wie Ausstellung, Firmenmuseum oder Kunden-Shop wird aus einer bürokratischen Pforte ein lebendiges Empfangszentrum.